…und noch viel weiter!

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Cover des Traveller Grundregelwerks

Traveller Grundregelwerk

So, und nun der versprochene zweite Teil zu meinen neu erworbenen Rollenspielbüchern. Diesmal möchte ich kurz Traveller etwas näher beleuchten.

Ich habe bereits einmal Traveller gespielt und ich kannte es auch zuvor bereits. Irgendwann, ehe ich überhaupt Rollenspiel kannte, stolperte ich im Netz über die Regeln als freier Download, habe aber leider keine Ahnung mehr wo. Vermutlich wurde es mit der Neuauflage durch den 13Mann Verlag vom Netz genommen und ich habe dann mit DSA begonnen.

Nein, Traveller löst bei mir keine Begeisterungsstürme aus, beziehungsweise wenn, dann nur partiell. Ich habe nur spärlich mit Zufallssystemen, d.h. wo der Würfel über die Erschaffung und die Weiterentwicklung des Helden entscheidet, gespielt. Jedoch war meine erste Rollenspielerfahrung mit DSA3 und dieses besitzt ein ebensolches Zufallssystem.Hätte ich nicht gewusst, dass es bei DSA eine vierte Edition gibt, hätte ich nach meinen ersten Erfahrungen wohl nie wirklich mit Rollenspiel begonnen, denn DSA3 hat mir ganz und gar nicht gefallen – vor allem wegen diesem Zufallssystem.

Und nun kommt Traveller und führt dieses Konzept der gewürfelten Charaktererschaffung noch viel weiter und in jeder Konsequenz durch. Natürlich bin ich da einmal skeptisch und nach meinem einen Spielabend mit Traveller hat sich diese Skepsis nur verstärkt. Trotzdem steht das Grundregelwerk nun bei mir im Regal und ich würde gerne mit ihm spielen und leiten – Traveller ist also für mich nicht wirklich gestorben.

Das Buch des tausend Tabellen

Wenn man so durch das Buch blättert, dann fallen einem natürlich die seitenlangen Tabellen auf. Für beinahe alles Erdenkliche gibt es eine Tabelle wo Spieler oder Meister würfeln können, wie es dann weiter geht. Da muss sogar DSA zurückstecken. Doch viele Tabellen sind dabei  nicht vielen und umständlichen Regeln zuzuschreiben, wie es vielleicht bei DSA der Fall ist. Nein, die eigentlichen Spielregeln sind sehr einfach, schlicht und einleuchtend und grundsätzlich ist ja jede Tabelle in Traveller Optional. Anstatt auf der Begegnungstabelle zu Würfeln, kann der Spielleiter auch einfach eine Begegnug bestimmen und anstatt einen ganzen Sektor zufällig zu erschaffen kann der Meister hier auch alles so anordnen, wie er es gerne möchte und gerade braucht. Doch wofür bräuchte man dann noch das Buch?

Das Buch der tausend Möglichkeiten

Grundsätzlich habe ich mit dieser Tabellenflut weniger ein Problem, im Gegenteil. Ich finde es als mathematisch natürlich sehr interessierter Mensch ganz lustig ganze Sonnensysteme auszuwürfeln, mitsamt Zivilisations-, Regierungs- und Rechtsform. Und hier liegt auch eindeutig die Stärke des Systems: Als ursprünglich generisches System kann man mit Traveller sehr viel abdecken was Sci-Fi anbelangt. Das Setting ist dabei nicht entscheidend. Dafür wird für alle technologischen Aspekte, zum Beispiel die Raumfahrt, sehr viel an Informationen geliefert, wie nun Raumschiffe aufgebaut sind, was die entsprechenden Module könnnen, ja selbst welche Software auf dem Bordcomputer installiert ist. Und hier fasziniert mich Traveller eindeutig: Durch seine Tiefe. Handelsverbindungen, Piratiere, Passagiere und alles mögliche kann so simuliert werden. Und da sind wir auch bei der Kundschaft, bei der Traveller punktet: Den Simulationisten (ich beziehe mich nun mal frech auf die GNS-Theorie von Ron Edward, dazu siehe mehr bei den Links). Wer daran seine Freude hat, wird Traveller lieben.

Wo sich der Gameism und Simulationism in die Quere kommen

Und wenn wir schon bei Rollenspieltheorie sind, dann haben wir auch rasch die Gruppe von Spieler gefunden: Die Spieler. Nein, wer einen Charakter haben will, der ein Ziel verfolgt, irgendwo hin will und den anderen zeigen will, worin er gut ist und was er kann, der wird bei Traveller rasch verzweifeln, denn weder das Setting noch das Regelsystem sind dafür ausgelegt. Einfach gesagt, ist es nicht möglich bei Traveller einen “Held” zu spielen und wenn, dann ist es zum einen pures Glück und zum anderen ist das Ende immer noch durch einen einfachen Würfelwurf möglich.

Die Gründe dafür liegen zum einen in der grossen Realitätsliebe des Systems. Hier wird nichts schön geredet. Weder irgendwelche Zukunftsutopien, noch übernatürliche Kräfte durch Technologie. Natürlich ist man technologisch meilenweit weiter als heute (Sprungantriebe, Warp-Technologie, Energiewaffen, Plasmapistolen etc.), doch die Gesellschaft ist immer noch die gleiche wie heute. Nur schippert sie nun halt im Weltall umher. Und es wäre sehr unrealistisch, wenn die Charaktere hier anders wären und Traveller achtet sehr auf Realismus. So kann man bei der Generierung froh sein, wenn man einen Charakter hat, der mit dem Durchschnitt mithalten kann und man evtl. sogar in etwa die Karriere verwirklichen konnte, die man sich vorgestellt hat. Charakter erstellen heisst bei Traveller weniger, dass der Spieler gross auswählen könnte, was er nun sein will, sondern mehr, ja schauen wir mal, ob du das auch schaffst und überlebst.

Das heisst zwar, dass Generieren durchaus sehr viel Spass machen kann, doch man den Charakter am Ende vielleicht lieber wegwerfen will, als mit ihm zu spielen. Dafür braucht es kaum irgendwelche Vorgeschichte, denn die ergibt sich durch die Generierung ganz von alleine. So ist es jedenfalls bei der ursprünglichen Version nur folgerichtig, dass man während der Charaktererschaffung auch sterben kann.

Hinzu kommt jedoch noch ein Würfelsystem, dass meiner Meinung nach sehr zufällig ist. Gewürfelt wird grundsätzlich immer mit 2W6 + Attributsmodifikation (von -3 bis +3) und der Fertigkeitsmodifikation (von -3 bis +3). Um eine normale Aktion zu schaffen muss man nun eine 8 würfeln. Selbst bei guten Werten hängt der Erfolg immer noch sehr vom Zufall ab. Auch dies ist Helden-unfreundlich.

Und was lernen wir nun daraus?

Meiner Meinung nach unterscheidet sich Traveller vom Konzept her sehr von anderen Rollenspielen, die ich bisher gespielt habe. Das ist jetzt weder positiv noch negativ gemeint, doch ist wichtig, dass man dies berücksichtigt. Abenteuer von der Art wie man sie vielleicht bei DSA, Arcane Codex, Degenesis oder Heredium kennt (oder zig anderen Rollenspielen), funktionieren bei Traveller nicht, denn rein statistisch gesehen werden die Helden sowieso scheitern und das endet in einem Haufen frustrierter Spieler.

Nein, wenn Traveller Spass machen soll, dann braucht man Abenteuer wo die Stärken des Systems auch zum tragen kommen. Dort wo man den Handel zwischen Planeten auswürfelt und schaut, was für Passagiere man aufgabeln könnte. Oder Abenteuer wo es darum geht ein neues Sonnensystem zu kolonalisieren oder neue Forschungsergebnisse zu gewinnen. D.h. Abenteuer die absolut unlinear sind und den Spielern sehr viel Freiheiten gewährt und das bedeutet gleichzeitig viel Aufwand und Engagement auf beiden Seiten: Sowohl für Spieler wie auch für Spielleiter. Die Identifikation der Spieler mit ihren Charakteren wird vielleicht nie so gross sein, wie bei anderen Systemen und es kann gut sein, dass ein Charakter einfach mal das zeitliche segnet, weil er auf einer Tabelle etwas schlecht gewürfelt hat. Doch das ist dann auch weniger tragisch. Die grossen dramatischen Szenen und glorreichen Momente der Schauspieler und Rollenspieler wird es wohl auch weniger geben. Dafür haben die Spieler die Chancen sich zusammen wirklich etwas aufzubauen, an einem Strick zu ziehen und langsam ein Handelsimperium auszuweiten oder einen eigenen Planeten zu besiedeln. Doch man muss wissen, worauf man sich einlässt – und ich hoffe, dass das mit damit gelungen ist.

Links zum Thema:
GNS Theory bei der englischen Wikipedia
Originalartikel von Ron Howard bei The Forge
www.traveller-rpg.de
13mann.de

One thought on “…und noch viel weiter!

  1. Traveller ist vom Setting her wirklich interessant und trifft meinen Sci-Fi-Geschmack recht gut. Aber ich sehe nicht, wie man Traveller mit den mitgelieferten Regeln spielen kann.

    Da wäre mal die zufällige Charaktergenerierung. Das mag für einen Spieler vielleicht funktionieren, aber wie soll man da eine gute Gruppe zusammenbekommen? In DSA Classics haben wir gesehen wie Stimmungsvoll eine gut zusammengestellte Gruppe ist.

    Mit den Regeln kann ich mich nicht wirklich anfreunden. Dabei ist es nicht die Detailtiefe, die mich stört – im Gegenteil, besonders Raumschiffe und Raumkampf klingen wirklich interessant – sondern dass das Regelwerk Proben für alltägliche Arbeiten, wie Hyperraumsprünge, mit Proben belegt. Das ist, als würden wir in DSA für gemütliches Reiten Proben verlangen.
    Mich würde wirklich interessieren, wie man sich das vorzustellen hat.

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