Wie viel Wissen verdienen die Spieler?

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Heute geht es mal wieder um Rollenspiel und die Probleme und Hindernisse, die mir als Meister dabei begegnen. Anlass ist ein lang erträumtes und erhofftes Projekt, dass nun endlich Formen annimmt: Opus Anima. Diese Woche durfte ich auf Sphärenriss bekannt geben, dass sich tatsächlich eine Gruppe gefunden hat und wir nun in zwei Wochen erste Versuche in diesem neuen System anstellen.

Opus Anima ist auch für mich etwas etwas Neues als Meister – abgesehen von der Welt. Nein, es ist das erste Mal, dass ich eine ganze Kampagne in diesem Ausmass selbst erschaffe und auf Kaufabenteuer verzichte (aus offensichtlichen Gründen, da es keine gibt). Das wollte ich schon lange und hatte erste Versuche mit Arcane Codex angestellt, die jedoch leider versandeten. Mit Opus Anima soll es anders werden und ich bin zuversichtlich, dass ich das wenigstens bis Ende Jahr durchhalten werde. Dabei stosse ich jedoch auf Probleme und Gedanken, an die ich sonst nicht komme und deshalb bringe ich diese wo immer möglich zur Sprache. Dies soll einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen – auch für die Spieler.

Weshalb Opus Anima anders ist

Alle Spieler haben bereits Opus Anima: Investigation gespielt, sind also bereits mit einigen Prinzipien der Welt vertraut. Doch Opus Anima ist dann doch noch eine ganze Stufe höher, was Horror, Bizarrerie und Obskurität angeht – und auch Charakterspiel. So sehe ich das jedenfalls. Ich habe mir lange überlegt, wie ich dies angehen soll, denn ich bin der festen Überzeugung, dass man Opus Anima nicht so angehen kann, wie man sich das von anderen Rollenspielen gewohnt ist. Beziehungsweise – sicher kann man, doch ich will das nicht, denn von Opus Anima erwarte ich mehr.

Ich sehe bei Opus Anima zwei wesentliche Unterschiede:

  1. Die Thematik
    Personen, denen ihre Seele geraubt wurde und nun versuchen diese wieder zusammen zu flicken – nein, das gibt es nicht alle Tage. Ok, die Thematik von geraubten Seelen taucht oft in Settings auf, doch nicht in dieser Tiefe. Anderswo stellen Seelenlose grässliche Monster dar, denen die Spieler vielleicht mal begegnen. Bei Opus Anima sind sie mehr, als nur dass. Sie sind Dreh- und Angelpunkt des Settings. Zusammen mit einer bereits per se sehr andersartigen Welt, ist es eine grosse Herausforderung an Spieler und vor allem Meister – und erfordert einige Anpassungen. Im Grunde geht es hier um die Frage im Titel: Wie viel Wissen sollen die Spieler besitzen?
  2. Der Erzählrahmen
    Anders als bei üblichen Systemen bietet Opus Anima einen fixen Erzählrahmen an, nämlich die Suche der Charaktere nach ihrer Seele. Die Einzigartigkeit und Besonderheit des Systems kommt grösstenteils daher und ermöglicht so sehr spannende und aussergewöhnliche Szenen. Doch um diesen Erzählrahmen auch zufriedenstellend zu füllen, müssen gewisse Voraussetzungen gegeben sein. Hier geht es um die Frage, wie viel Freiheit den Spielern erlaubt sein muss und darf.

Ich gehe heute auf die erste Frage ein und werde den zweiten nächste Woche erläutern, wenn die Ausarbeitung von Opus Anima auch fortgeschritten ist.

Der Umgang mit Hintergrundinformationen

Eine solch bizarre erfordert von Spielern und Meister zu aller erst einmal eine gewisse Offenheit, ein hohes Mass an Vorstellungskraft und eigener Kreativität. Daraus folgen zwei wichtige Punkte: Zum einen ist Opus Anima kein System, dass man bedenkenlos mal mit einem zusammengewürfelten (der Wortwitz ist nicht beabsichtigt) Gruppe spielen kann. Ich als Meister will abschätzen können, ob ein Spieler für ein solches Setting bereit ist und ob er sich darauf einlassen kann. Dieses Problem stellt sich bei Systemen wie DSA oder Pathfinder weniger.

Schlussendlich ist das aber eher ein organisatorisches Problem, denn man muss genügend Spieler finden, denen man das zutrauen kann. Danach kommt der viel wichtigere Teil: Eine Einführung der Spieler in die Welt und die Themen von Opus Anima. Hier bietet der Hintergrund zum Glück selbst Hand durch das Vergessen der Charaktere. So müssen diese wenig über den Hintergrund wissen. Gesellschaft, Politik und Wissenschaft kann nach und nach erarbeitet werden. Doch wie ist es mit dem Thema der Seelenlosen? Das Buch schlägt hier eigentlich vor, dass sich Spieler einfach das Kapitel über die Seelenlose durchlesen. Darauf verzichte ich aber, bzw. ich will nicht, dass meine Spieler dies tun.

Ich bin oft sehr restriktiv was das Lesen von Hintergrundinformationen für meine Spieler betrifft – wurde auch bereits kritisiert und hat zu Diskussionen geführt. Aber ich werde einfach rasch misstrauisch, wenn Spieler sich solche Informationen beschaffen, die sie als Charakter nicht haben können. Im schlimmsten Fall ruiniert es das Abenteuer und ich habe bisher keinen Spieler getroffen, der solche Informationen am Spieltisch dann auch sauber trennen konnte. Ich selbst bin das Schlimmste Beispiel, denn da ich die meiste Zeit Meister bin kann mich kaum mehr etwas überraschen, wenn es zum Beispiel um DSA geht.

Gleichzeitig brauchen die Spieler ja auch Hintergrundwissen um mit der Welt interagieren zu können. Am Ende ist es eine schmale Gratwanderung. Bei Opus Anima habe ich das Problem, dass die Art Wissen, die die Spieler haben sollten, gleich neben den Informationen liegt, die sie nicht haben sollten – teilweise jedenfalls. Hier behelfe ich mir einfach, in dem ich für die Spieler individuelle Informationspäckchen zusammen stelle – sprich per Copy&Paste aus dem Regelwerk spezielle PDFs für meine Spieler erstelle. So kann ich sehr genau steuern, was sie wissen und was nicht.

Das Konzept des Mentoren

Das für mich jedoch neuartige Prinzip, das ich in Opus Anima anwenden werde, ist das Konzept des Mentoren. Opus Anima hat hier auch den Grundstein mit den Avataren gelegt, ich erweitere das jedoch noch etwas. Im Grunde ist es sehr simpel: Die Spieler erhalten einen NSC, der ihnen zahlreiche Fragen nach dem Hintergrund der Seelenlosen beantworten kann. Oft können dies 1:1 Texte aus dem Buch sein, doch genauso können es durch mich manipulierte Informationen (etwa weil ich Spielkonzepte abändere) oder gar falsche Informationen sein um einen Plot einzuführen oder die Geschichte in eine bestimmte Richtung zu lenken. So habe ich ebenfalls eine starke Kontrolle über den Informationsfluss.

Dieser Mentor sollte jedoch nicht einfach der allwissende alte Mann von nebenan sein, von dem alle nur wissen, dass er alles weiss und sonst nichts. Gerade der Umstand, dass er eben nicht unfehlbar und allwissend ist rückt die allfälligen Informationen in ein zwielichtiges Licht. Zudem wird es natürlich in den Plot eingebettet – auf welcher Seite auch immer.

So, das wars für heute. Ich bin immer neugieriger auf den Start des ganzen Projekts. Die Ideen mehreren sich zur Zeit wie von selbst und ich komme kaum nach alles nieder zuschreiben. Nächste Woche möchte ich diskutieren, wie viel Freiheit man seinen Spielern gewähren kann, wenn man sich an ein solch Charakterorientiertes Rollenspiel wie Opus Anima heranwagt und ob es erlaubt ist, den Spielern einfach einen Briefumschlag zu geben und zu sagen: “Hier, dein Charakter – spiel!”

3 thoughts on “Wie viel Wissen verdienen die Spieler?

  1. Ich warte ja immer noch auf den Folgeartikel zu Opus Anima. Nach über einem halben Jahr sollte ja langsam genug Stoff zusammengekommen sein… 😉

    Zum Nichtwissen: nach einigen Spieltagen kann ich sagen, dass mich das Nicht-Wissen über den Seelenlosen-Hintergrund nicht stört, sondern im Gegenteil sehr spannend ist. Dieses Tappen im Dunkeln kann ich in dem System ja nur einmal so erleben.

    Schwieriger ist das Nicht-Wissen über die “mundane” Welt, die Regeln der ganz normalen Gesellschaft, die ich ja auch nicht einfach aus unserer Gegenwartskultur des 21. Jahrhunderts ableiten kann, die aber wesentlich mehr Glaubwürdigkeit und Stimmigkeit erfordert als etwa in Pathfinder. Für diesen Teil würde ich mir ein “Player’s Handbook” viel sehnlicher wünschen.

  2. Pingback: Von seelenlosen Spielern und lügenden Meistern « alea iacta est

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