Von seelenlosen Spielern und lügenden Meistern

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Seit Oktober 2010 ist viel Zeit vergangen und seit Oktober 2010 leite ich als Meister eine Gruppe von Seelenlosen durch das Spielsystem Opus Anima. Damals habe ich auf einen Artikel dazu verfasst und versprochen, dass ich in einigen Wochen wieder schreiben würde (siehe Wie viel Wissen verdienen die Spieler). Natürlich habe ich das nicht gehalten und der Folgeartikel folgt erst jetzt.

Nach bald einem Jahr (ok, es fehlen noch mehr als 2 Monate, aber was solls) ist es Zeit, einen Rückblick zu wagen und ein erstes Fazit zu ziehen. Was habe ich daraus gelernt? Was können andere Spielleiter daraus mitnehmen und was würde ich anders machen? Ich hoffe dadurch selbst einige Einblicke zu gewinnen und bin schliesslich auch auf die Meinung meiner Spieler gespannt.

Leider, das muss man vorneweg nehmen, gibt es kaum Möglichkeiten sich mit anderen Opus Anima Meistern auszutauschen. Ich kenne keine andere Spielgruppe, auch nicht im Netz. Opus Anima, so leid es mir tut, wird wohl nach einem Regelwerk und einem Spin-Off (Opus Anima: Investigation) sang und klanglos untergehen. Das Ganze zielt zu sehr ein Nischenpublikum ab. Grundsätzlich kein Problem und solange ich mein Regelwerk habe, kann ich ja damit anstellen was ich will.

Wie ich bereits im Vorgängerartikel erwähnt habe, unterscheidet sich meiner Meinung nach Opus Anima von anderen Rollenspielen in wesentlichen Aspekten. Für mich persönlich war das Leiten bei Opus Anima aber vor allem deshalb ein komplett neues Erlebnis, weil ich für die komplette Kampagne selber verantwortlich bin. Ich war es mir gewohnt (grosse) Kampagnen nach Buch zu leiten, allem voran die Die Sieben Gezeichneten bei DSA. Auch wenn mir die Sieben Gezeichneten viel Freude bereitet hatten, war Oktober 2010 auch etwas der Zeitpunkt, wo mir die Motivation für die Kampagne abhanden kam. Das lag an vielerlei Gründen, doch somit kam mir Opus Anima sicher gelegen um mich auf diese neue, interessante Herausforderung zu stürzen.

Wie ich meine Kampagne kriegte

Die meisten Rollenspiele setzen darauf, dass der Meister eine Geschichte erzählt. Es sind die Abenteuer in DSA und in denen handeln die Helden zwar und können auch sehr bedeutende Rollen in dem Abenteuer wahrnehmen, doch der Ausgangspunkt, die Leitplanke ist immer der Plot und der ist die Perspektive. Auch bei solch epischen Kampagnen wie bei der G7, wo die Helden die Hauptrollen spielen in der Geschichte Aventuriens wie nirgends sonst, ist es aus Sicht des Plots geführt.

Das ist bei Opus Anima anders. Die Charaktere sind der Plot. Das zu verstehen ist, meiner Meinung nach, zentral um eine Opus Anima Kampagne zu starten. Entsprechend habe ich auch damit begonnen: Für jeden Charakter habe ich mir überlegt, wie er oder sie zum Seelenlose wurde und dann beschrieben, wie die ersten Momente nach dem Erwachen erlebt werden. Dann habe ich Erinnerungsfetzen niedergeschrieben und dies alles vor dem ersten Spieltag meinen Spielern zukommen lassen. Das setzt auch eine gewisse Flexibilität seitens der Spieler voraus, damit sie so etwas überhaupt akzeptieren. Bei uns war es aber kein Problem.

Dann habe ich mir Handlungsstränge überlegt und in Bayat-Sophia aufgespannt. Das ist quasi der kreativste Teil und hat schon einige Stunden an Vorbereitung benötigt. Jedoch muss man sehr aufpassen, dass man nicht zu sehr ins Detail gelangt. Zudem habe ich stets mehrere Handlungsstränge aktiv behalten. Teilweise konnten diese sich überlappen und miteinander interagieren, manchmal wurden sie auch einige Spieltage inaktiv und tauchten dann wieder auf. Als Vorbereitung ist nur wichtig, dass man sich einem gewünschten Endzustand bewusst ist.

Vor den einzelnen Spielsitzungen habe ich mir einige Ereignisse überlegt, die mit diesen Handlungssträngen zusammenhängen. Das musste nicht viel sein. Rein mit diesen Ereignissen hätte ich vielleicht eine Stunde eines Spieltags füllen können. Beim Rest habe ich auf die Spieler vertraut. Dafür brauchte es aber auch eine gewisse Gewöhnungszeit von den Spielern. Dass die Initiative von ihnen ausgehen musste, waren sie sich bisher nicht gewohnt. Doch sie und ich lernten rasch und bald pendelte sich das so ein, dass ich gut abschätzen konnte, wie viel ich vorgeben musste und wie viel ich zurückbekommen würde.

Heute muss ich für einen Tag Opus Anima weniger vorbereiten, als für einen Tag G7.

Zweifel ist der Schlüssel zum Wissen

Ich hatte lange Zeit Mühe damit die richtige Menge an Wissen festzulegen, die die Spieler von Tag zu Tag dazugewannen. Wir bewegen uns im Mystery-Genre und Opus Anima ist vor allem ein Detektivabenteuer. Deshalb ist dies ein zentrales Element. Man muss natürlich genügend Geheimnisse wahren, doch sollten die Spieler zu lange zu stark im Dunkeln tappen, wird es auch nur frustrierend. Deshalb ist es sehr wichtig hier das richtige Mass zu finden. Das hat eine Weile gedauert und manchmal flossen die Informationen dann etwas schubweise.

Deshalb ist es auch wichtig, dass man mehrere Plots hat umso über verschiedene Kanäle Informationen zu streuen. Lustig wird es dann natürlich, wenn die Spieler gewisse Puzzleteilchen dem falschen Puzzle zuordnen. Natürlich darf man selber nicht den Überblick verlieren. Oder doch? Erfahrungsgemäss lassen sich Logikfehler nicht verhindern, ausser man bereitet so viel vor, dass man sich wirklich in Details verliert. Da habe ich bessere Erfahrung mit Improvisation und Flexbilität gemacht. Merkt man, dass etwas nicht aufgeht, dann hat man drei Möglichkeiten:

  1. Die Fehler verneinen, verleugnen und mit Übernatürlichem zudecken. Mit der sogenannten “Verzerrung” in Opus Anima, hat man immer die Möglichkeit der Notbremse. Natürlich wird auch das wieder Fragen aufwerfen und zudem bei vermehrtem Einsatz die Spieler frustrieren. Denn wer löst schon gerne Detektivabenteuer, wenn man sich auf gar nichts verlassen kann?
  2. Den Plot anpassen. Wenn Bösewicht X wegen eines falsch gesetzten Hinweises plötzlich nicht mehr als Täter in Frage kommt, ist es halt Bösewicht Y gewesen. Die vermutlich beinahe eleganteste Lösung, denn sauber gemacht sehen die Spieler keinen Unterschied und können sich so auf die Hinweise und Informationen verlassen – den der Plot orientiert sich ja an ihnen. Doch das erfordert einiges an Flexibilität und Improvisation.
  3. Man kann den Fehler auch einfach offen zugeben und den Spielern sagen: Sorry, das war falsch. Das Fenster war tatsächlich eingeschlagen und nicht zu, wie vorhin beschrieben. Wenn es nicht zu häufig geschieht, ist das sicherlich ok und die Spieler werden es verstehen und diese Offenheit sogar zu schätzen wissen (hoffentlich jedenfalls).

Fazit

Ja, was hatte ich denn nun von einem Jahr Opus Anima? Viel Spass und eine grossartige Zeit mit meinen Spielern. Das Vorbereiten und Leiten bereitet mir sehr viel Freude. Eine glaubhafte Welt darzustellen ist nicht gerade einfach, gerade weil Opus Anima keine sehr normale Welt ist. Doch es ist mir gelungen die Spieler jedenfalls soweit zu fesseln, dass sie weiterhin gerne weiter spielen.

Ich persönlich als Meister habe sehr viel durch Opus Anima gelernt. Flexibilität, Improvisationstalent und Kreativität würde ich zu den Eigenschaften zählen, die sich beim Meistern bei mir verbessert haben. Ich konnte dies sogar bereits bei anderen System bemerken, wie zum Beispiel bei der G7, wo ich mich unterdessen viel stärker zum laufenden Anpassen der Handlungsstränge traue, auch wenn der Rahmen dort enger gesteckt ist.

Was mich vor allem aber freut, dass meine Spieler auch davon profitiert haben. Ich habe es nicht allen zugetraut, denn ein derart “abgedrehtes” Rollenspiel ist nicht für alle. Vor allem der Fokus auf das Erzählen und weniger das Perfektionieren des Charakters und Auswürfeln des Kampfes haben wir alle gemeinsam gut hingekriegt.

Was würde ich im nachhinein anders machen? Mich mehr mit der “profanen” Welt von Opus Anima beschäftigen, als mit der mystischen Seite. Sie ist grundsätzlich der Alltag der Welt und deshalb ist es auch wichtiger, dass diese Welt glaubhaft erscheint. Beim Rest kann ich sowieso anstellen, was ich will. Es ist auch das Ziel fürs nächste Jahr, dass ich Gesellschaft und Stadtleben von Bayat-Sophia besser hinkriege.

3 thoughts on “Von seelenlosen Spielern und lügenden Meistern

  1. Erst vor eine paar Tagen habe ich deinen Eintrag zu Opus Anima gelesen, und fand es schade, dass du so lange nichts darauf geschrieben hattest. Heute stolpere ich zufällig wieder darüber und… OHA! Neuigkeiten!

    Schön zu sehen, dass du doch noch dazu gefunden hast.
    Ich kann dir in großen Teilen auch absolut Recht geben.
    Durch die geringen Anteile an Vorgaben der Hintergrundwelt
    und Sonstigem, läuft man in den Punkten, Kreativität, Flexibilität und Improvisationskunst als Spielleiter durchaus zu Höchstformen auf. Aber genau das mag ich an dem System. Das Setting fesselt einen ziemlich schnell und ist durch seine Mischung an Elementen auf jedenfall eine ausserordentlich faszinierende Rollenspielperle und ein absoluter Geheimtipp.

    Wie du schon sagtest findet man, sowohl in näherer Umgebung als auch im Netz leider viel zu wenig zu Spielrunden. Umso mehr würde ich mich freuen mehr von dir, deiner Spielrunde und euren Erfahrungen lesen zu dürfen.

    Mfg FrekiWolf

    • Ciao FrekiWolf

      Freut mich, das es da jemanden gibt, der sich auch für OA interessiert :)

      Ich werde sicher versuchen etwas mehr über OA zu schreiben – auch etwas konkreter, was für Plotideen ich denn verwendet habe. Und evtl. bringe ich ja auch mal meine Spieler dazu, einige Erfahrungen zu teilen.

      Leitest du denn auch eine OA-Gruppe oder spielst in einer?

      Gruss
      Joel

  2. Greatings.

    Ich bin tatsächlich auch Spielleiter.
    Bin gerade dabei eine neue Opus Anima Gruppe aus dem Boden zu stampfen. Ich habe 4 Interessenten die sich gerade ihre Preludien spielen.

    mfg
    FrekiWolf

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